Initiative i2877: Teilabschaffung des Urheberrechts im Bezug auf Private/Erweiterung Kulturwertmark
 Ja: 10 (42%) · Enthaltung: 2 · Nein: 14 (58%) · Nicht angenommen (Rang 1)
Letzter Entwurf vom 20.04.2013 um 18:40 Uhr · Quelltext · Zeige alle Versionen (3)

Dieser Vorschlag zielt darauf ab, möglichst vielen Personen unbeschränkten Inhaltskonsum legal zu ermöglichen und gleichzeitig die Finanzierung der Produzenten auf eine Weise sicherzustellen, die Produzenten beliebter/geschätzter Inhalte belohnt, Produzenten "schlechter" Inhalte aber weniger.

Vorwort

Die Verwertungsrechte (genau dieser Teil des Urheberrechts ist hier relevant) dienen heutzutage hauptsächlich der Finanzierung der Inhaltsproduzenten, indem Konsumenten verpflichtet sind, für Inhalte zu zahlen. Betrachtet man Inhaltskopien, so stellt man fest, dass eine zusätzliche Kopie dem Urheber an sich nicht schadet, dem Kopieempfänger aber nutzt. Eine einzelne kostenlose Kopie hat daher insgesamt nur Vorteile. Werden aber alle Inhaltskopien unentgeltlich angefertigt, ist die Finanzierung neuer Inhalte nicht gesichert. Im Internet sind Kopien bekanntlich leicht.

Prinzipiell kann man versuchen, das Problem "fehlende Finanzierung" bzw. "illegale Inhaltskopien" auf zwei Arten angehen: Die logische Folgerung ist, zu versuchen, illegale Kopien zu verhindern. Gibt es keine kostenlosen Kopien, muss für die Inhalte bezahlt werden und die Finanzierung ist gesichert. Das Problem hierbei ist, dass relativ starke Einschränkungen des Internets notwendig sind. Bereits jetzt werden File-hoster dazu verpflichtet, Filter einzusetzen, um illegale Kopien zu erkennen. Realistisch können Share-Hoster aber nur durch eine deutliche Verschärfung der Haftung für Diensteanbieter eliminiert werden. Diese hätte aber vermutlich zur Folge, dass auch viele andere Dienste (z.B. andere Synchronisationsdienste wie Dropbox, Videoplattformen wie Youtube, aber, in extremer Form sogar viele Foren (die man - als "Gegner" - abschalten kann, indem man über das Forum urheberrechtlich geschütztes Material verteilt und so die Forenbetreiber zu extrem zeitaufwändiger Moderation zwingt) eingeschränkt würden. Die Kopiezahl wäre zwar eingeschränkt, aber Kopien wären noch immer möglich - Offline oder durch Friend-to-Friend-Filesharing, bei dem man sich sicher sein kann, keine Abmahnung zu erhalten.

Ich halte es daher im Sinne der Freiheit des Internets für nicht zielführend, diese Inhaltskopien verhindern zu wollen und will sie daher komplett erlauben - und gleichzeitig die Inhaltsfinanzierung sichern

Finanzierung

Die Grundidee ist, einen gewissen Geldbetrag(1) für Inhalte zweckzubinden. Damit wäre die Finanzierung gesichert. Dieses Konzept ist nicht neu - Pauschalabgaben, Kulturwertmark usw. gehen alle in diese Richtung. Pauschalabgaben haben aber den Nachteil, dass die Verteilung ungeklärt ist. Die Kulturwertmark löst dieses Problem, aber ich kenne keine genaue Implementierung - im Wesentlichen stellt mein Vorschlag eine konkrete Implementierung der Kulturwertmark dar.

Um sicherzustellen, dass das Geld an Inhaltsproduzenten kommt, werden neue Kontoformen eingeführt, bei denen das Geld nur eingeschränkt weitergeleitet werden kann. Es gibt hier Privatpersonenkonten, Inhaltsproduzenten-Konten, Transferkonten, Produzenten-Eingangskosten und Produzenten-Transfer-Konten.

Der Geldbetrag wird dabei auf ein spezielles Konto überwiesen. Die Besonderheit dieses Kontos ist, dass Geld nicht direkt abhebbar(2) ist und die Überweisungen auf bestimmte Kontoformen beschränkt ist. Das sind Transferkonten, Inhaltsproduzenten-Konten und Produzenten-Eingangskonten.

'Inhaltsproduzenten-Konten' können nur von Unternehmen und Personen, die Inhalte produzieren, eröffnet werden. Diese Unternehmen und Personen dürfen Zahlungen auf diese Konten nur für die Bezahlung von Inhalten akzeptieren - wobei an der IBAN-Nummer ja leicht erkennbar ist, wenn ein solches Konto für einen anderen Zweck verwendet wird. Nur von diesen Konten sind Abhebungen in echten Euros möglich. 'Transferkonten' dienen der Weiterleitung von Geld für Inhalte - beispielsweise von Streamingseitenbetreibern, die das erhaltene Geld an die Urheber weiterleiten. Geld kann von diesen Konten nur an Inhaltsproduzenten-Konten, Transferkonten und Produzenten-Eingangskonten überwiesen werden. 'Produzenten-Eingangs-Konten' dienen als vorgeschaltete Konten für Produzenten, die auf Inhalten anderer aufbauen. Hierbei wird bei jeder Überweisung nur ein Teil des Geldes an das assoziierte Inhaltsproduzenten-Konto weitergeleitet, während ein anderer Teil auf das 'Produzenten-Transfer-Konto' überwiesen wird. Das Produzenten-Transfer-Konto verhält sich wie ein Transferkonto, aber alle getätigten Überweisungen sind öffentlich einsehbar. Es dient dazu, das Geld für die Inhalte, auf denen aufgebaut wurde, weiterzuleiten.

Alle neuen Kontoformen erkennt man an einem speziellen IBAN-Suffix. Da derzeit die vollen 34 Stellen von IBAN-Codes nicht genutzt werden und die letzten Stellen im Moment Ziffern sind, sind Buchstaben-Suffixe möglich. Das System ist von solcher Gestalt, dass der Empfang von Geld an die Konten uneingeschränkt möglich ist, nur die Geldverwendung beschränkt ist. Dadurch müssen nur jene Banken, die selbst derartige Konten anbieten, das System implementieren und nicht alle auf einmal.

Umfang der Legalisierung

Persönlich bin ich für eine möglichst umfassende Legalisierung. Das heißt: Alles soll legalisiert werden, bei dem Privatpersonen Nutznießer der Inhalte sind. Dies schließt neben dem klassischen Filesharing auch die Share-Hoster und sogar Kinobesuche ein (d.h. Kinobetreiber brauchen keine LIzenz, um Filme an Privatpersonen vorzuführen). Nicht legalisiert werden soll jedoch alles, bei dem Unternehmen Nutznießer sind - dies deshalb, weil es bei Unternehmen extreme Unterschiede darin gibt, wie wichtig Inhalte sind, Kontrollen einfacher sind und zudem Schulungskosten oft einen großen Teil ausmachen. Der Grund für diese große Legalisierung ist darin begründet, dass es nur so keinen Vorteil mehr für Anbieter "illegaler" Kopien gibt und ich denke dass nur so - so seltsam es klingen mag - die Produzenten maximal profitieren.

Prinzipiell erlaubt das Konzept aber auch schwächere Formen der Legalisierung - in der Kulturwertmark beispielsweise nur privates Filesharing. Von den schwächeren Formen unterscheide ich 3:

  1. Direkt Privat zu Privat, nichtkomerziell: Nur solche Inhaltskopien werden erlaubt, bei denen direkt Privatpersonen Inhalte miteinander austauschen. In dieser Form ist die Legalisierung wenig mehr als eine erweiterte Privatkopie
  2. Privat zu Privat, (teil)nichtkomerziell: Zusätzlich dürfen Inhalte auf externen Servern zwischengespeichert werden, die Privatperson darf aber nicht davon profitieren
  3. Privat zu Privat, kommerziell: Zusätzlich darf der private Inhaltsanbieter finanziell davon profitieren (z.B. indem er Werbung auf eine Webseite schaltet)

Klar ist natürlich, dass bei einer umfassenderen Legalisierung ein höherer Teil des Einkommens zweckgebunden werden müsste

Betroffen sind im Wesentlichen Vervielfältigung, Verbreiterung, Sendung, Aufführung und öffentliche Zurverfügungstellung, die Bearbeitung nur in dem Maße, wie es für sinnvolles Kopieren sachgemäß ist (z.B. Umkodieren); inhaltliche Bearbeitungen sind aber nicht erfasst. Es ist auch nicht so, dass beliebige Vervielfältigungen von allem erlaubt werden - das Recht am eigenen Bild bleibt ebenso unberührt wie die restliche informationelle Selbstbestimmung, eine Kopie des persönlichen Tagebuchs z.B. dürfte gegen den eigenen Willen selbstverständlich nicht ins Internet geladen werden.

Erwartete Effekte

Zunächst betrachte ich die 'Freiheit', den meiner Meinung nach wichtigsten Wert für die Piratenpartei. Bei oberflächlicher Betrachtung hält sich der Effekt in Waage: Der Urheber verliert die Freiheit, über die Rechte beliebig verfügen zu können und Privatpersonen gewinnen die Freiheit, die Werke beliebig nutzen zu können, verlieren aber die Freiheit, über einen Teil ihres Geldes frei verfügen zu können. Das ist aber nicht das komplette Bild, denn die Freiheit des Urhebers ist wesentlicher, weil er schon jetzt die Freiheit hat, die Nutzung seines Werkes - z.B. mit der GPL- oder CC-Lizenz - zu erlauben, er dann aber dazu verpflichtet wird. Der wesentliche Punkt, warum ich dennoch dafür bin ist, weil ich erwarte, dass die Freiheit durch die Maßnahmen zur Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen so stark eingeschränkt werden, dass diese Freiheitseinschränkungen (z.B. Verschärfte Haftungsbedingungen usw.) schwerer wiegen als der Freiheitsverlust des Urhebers.

Weiters die Verbreitung von 'Information': Durch die uneingeschränktere Inhaltsweitergabe können sich interessierte Personen leichter informieren - insbesondere auch über wissenschaftliche Studienergebnisse. Ich denke nicht, dass durch die Änderungen (mehr) Information zurückgehalten wird.

Schließlich auch die 'Finanzierung' von Inhalten: Dadurch, dass Inhalte erst im Nachhinein bezahlt werden, kann eine gezieltere Auswahl getroffen werden, insbesondere ist es möglich, beispielsweise Inhalte proportional nach dem tatsächlichen Hören zu würdigen statt bloß durch den einmaligen Wunsch, den Inhalt zu haben.

Ein gewisser Punkt ist auch 'Fairness': Personen, die weniger Inhalte konsumieren als andere - insbesondere alte Personen, die kein Internet verwenden, können deutlich weniger von der Legalisierung der Inhalte profitieren. Dieses Problem kann angegangen werden, indem z.B. von Pensionen vorerst kein Geld auf die beschriebene Weise zweckgebunden wird, bis auch der Anteil der Internetnutzern unter Pensionisten hoch genug ist.

Schließlich auch 'soziale Aspekte': Das beschriebene System bevorzugt arme Leute, die sich Internet leisten können (was für fast alle gilt), überproportional, weil sie alle Inhalte nutzen können, auch ohne zur Finanzierung beizutragen.

(1) in welcher Form ist an sich egal (2) außer, wenn Immaterial-Bargeld gewünscht ist. In jedem Fall können keine "echten" Euros abgehoben werden

Andere Punkte

Es wurde die Frage aufgeworfen, ob es noch möglich ist, z.B. ein Programm einer Privatperson zu geben und zu verhindern, dass es weitergegeben wird. Vom Standpunkt des Urheberrechts ist ein Verbot der Weitergabe nicht möglich - in den meisten Fällen dürfte aber eine Geheimhalteklausel den Zweck ausreichend erfüllen: Will man nur einen beschränkten Nutzerkreis, so ist es keine größere weitere Einschränkung, wenn der Benutzerkreis über genaue Inhalte des Programms nicht sprechen darf. Bei größeren Filmen z.B. kann man Geheimhaltungsklauseln aber ab Veröffentlichung nicht mehr nutzen, da diese schon einen einfachen Kinobesuch sehr umständlich machen würden und zudem Rezensionen verhindern würden.

Ich denke, dass es möglich ist, Geheimhalteklauseln für unwirksam zu erklären, wenn sie so gehalten sind, dass sie sich ausschließlich auf die tatsächliche Repräsentation des Inhalts, nicht aber den Inhalt selbst beziehen.