Zweck
Die Umfrage soll klären, ob innerhalb der Piratenpartei Interesse daran besteht, ob der Programmpunkt "Schaffung einer finanziellen Demokratie" in das Parteiprogramm aufgenommen werden soll.
Inhalt
Die Piratenpartei strebt in ihrem Wirken die Schaffung einer finanziellen Demokratie an. Eine finanzielle Demokratie strebt eine informationelle Gleichstellung der Bürger im Bereich der Finanzwirtschaft dar. Sie sollte folgende Ziele umfassen:
1. Verbreitung umfassender Finanzinformationen
Es wird die Schaffung einer verbraucherorientierten, staatlichen Agentur angestrebt, die sich aus Abgaben der Finanzunternehmen finanziert und die regelmäig objektivierte Informationen aus dem Bereich der Finanzwirtschaft publiziert um die Entscheidungsgrundlage der Bürger zu finanziellen Enscheidungen zu verbessern.
2. Einführung von Standardvereinbarungen und Standardbedingungen bei Kreditgeschäften
Es werden gesetzliche Standardvereinbarungen und Standardbedingungen bei Finanzgeschäften aller Art eingeführt. Unfaire Bedingungen in Verträgen werden gesetzlich ausgeschlossen.
3. Einrichtung einer verbraucherorientierten, staatlichen Finanzregulierungsagentur
3a) Finanzprodukte, die sich an Privatanleger richten, werden einer staatlichen Finanzregulierungsagentur genauestens geprüft und reguliert.
3b) Die staatlichen Finanzregulierungsagentur beschränkt die Giralgeldschöpfung auf Banken, die den Realmarkt finanzieren. Dazu werden Investitionsbanken rechtlich von Geschäftsbanken getrennt. Investitionen in den Finanzmarkt (auch über verbundene Unternehmen) mit selbstgeschöpftem Geld werden verboten. Geschäfte zwischen Banken werden dahingehend reguliert, dass die Risiken, die untereinander eingegangen werden, transparent ermittelt werden können.
4. Verbesserung der Offenlegung von Finanzmarktinformationen
Banken und börsenotierte Unternehmen müssen publikationspflichtige Informationen in standardisierter und elektronischer Form kostenlos bereitstellen. Die FMA arbeitet in Zusammenarbeit mit internationalen Regulierungsagenturen einen gemeinsamen Standard zur elektronischen Publikation von Finanzdaten aus.
5. Schaffung einer nationalen Datenbank mit Informationen zur Kreditwürdigkeit von Personen
5a)Gewerbliche Datenbanken mit Bonitätsinformationen zu Bürgern werden genehmigungs- und registrierungspflichtig. Die Betreiber müssen einer geeigneten Behörde die Korrektheit der Information und Maßnahmen zur Sicherstellung der Vertraulichkeit nachweisen.
5b)Die Betreiber werden verpflichtet, in regelmäßigen Abständen eine aktuelle Liste der Personen, über die Informationen vorrätig sind, an die Kontrollbehörde zu übermitteln. Die Kontrollbehörde stellt sicher, dass der Bürger kostenlos erfahren kann, wer über ihn Informationen aufgezeichnet hat. Der Bürger hat einen Rechtsanspruch auf Auskunft über seine Bonität beim jeweiligen Betreiber. Unternehmen, die Bonitätsinformationen zurückhalten, werden mit schwerer Strafe bedroht. Geschäftsführer haften mit ihrem persönlichen Vermögen.
6. Schaffung eines neuen Systems wirtschaftlicher Maßeinheiten
Durch die Einführung einer elektronischen Verrechnungseinheit wird eine Abkopplung der Wertbemessung von Produkten und Dienstleistungen vom Faktor Geld angestrebt. Die Verrechnungseinheit wird an einen umfassenden Warenkorb gekoppelt, täglich errechnet und kostenlos bereitgestellt. Damit erfolgt eine Wertdarstellung, die sich an der Realwirtschaft orientiert und unabhängig von Veränderungen im Geldsystem ist.
Begründung
ad 1) Personen mit geringem Einkommen haben i.d.R. keinen Zugriff auf objektive Informationen im Bereich Finanzen (beispielsweise auf Kreditkonditionen, Leasing, Hauskauf, Wohnungskauf, wahre Kosten von Krediten, Risikoeinschätzungen,...). Diese Informations-Asymmetrie muss behoben werden.
Der Bereich "Kreditkonditionen" kann durch die gesetzliche Standardisierung der Bedingungen verbessert werden, wie sie z.B. im Bereich Arbeitsmarkt und Mietmarkt bereits Realität sind. Beispiele für Agenturen die die Entscheidungsgrundlage der Bürger verbessern sind der VKI oder die Schuldnerberatung.
ad 2) Standardvereinbarungen und Standardbedingungen vereinfachen und stablilisieren die Finanzgeschäfte. Bürgerinnen und Bürger mit nichtfinanzieller Ausbildung sind i.d.R. nicht in der Lage, geschliffenes Juristendeutsch sinngemäß einwandfrei in normale Sprache zu übersetzen und selbst Juristen streiten oft jahrelang vor Gericht um Auslegungen und Definitionen. Daher soll durch Standardisierung von Vereinbarungen und Bedingungen von Finanzgeschäften eine Verbesserung im Sinne des Konsumenten herbeigeführt werden.
ad 3) Eine Finanzregulierungsagentur reguliert auf mehreren Ebenen. Einerseits muss die Kreditvergabe der Banken reguliert werden, wenn man an der derzeitigen Giralgeldschöpfung festhalten will. Andererseits müssen Finanzprodukte geprüft und ebenfalls reguliert werden, wenn sie am Markt für Privatkunden angeboten werden. Geschäfte zwischen Banken benötigen ebenfalls eine Regulierung, die weit über das hinausgeht, was heute die FMA macht. Ziel ist die massive personelle Aufrüstung der FMA mit gleichzeitigem 100%igem Transparenzgebot.
ad 4) Wirksame und transparente Publikationsvorschriften für Banken und börsenotierte Unternehmen verbessern das Informationsangebot. Die standardisierte, elektronische Bereitstellung der Information erleichtert die Weiterverarbeitung in elektronischen Systemen zu Vergleichs- und Analysezwecke. Mit XBRL existiert bereits der Ansatz einer Bereitstellungsstruktur. Diese muss konsequent weiterentwickelt werden.
ad 5) Es besteht ein legitimer Bedarf an Informationen zur Kreditwürdigkeit von Personen. Es besteht allerdings auch ein legitimer Anspruch des Bürgers, die über ihn erhobenen Daten zu kennen. Um einem weiteren Wildwuchs an Bonitätsdatenbanken und -agenturen entgegenzuwirken, ist das System zur Information über die Kreditwürdigkeit von Personen national zu standardisieren und der Zugriff darauf gesetzlich zu definieren (vgl. Edikte Datei, Grundbuch,...).
ad 6) Wie sieht das aus? Werden Preise in Supermärkten in VE ausgeschrieben, kann jeder Konsument täglich überprüfen, ob das Geld weniger Wert geworden ist. Das macht ihm aber i.d.R. wenig aus, weil sein Arbeitsvertrag auch in VE und nicht in Geld abgefasst ist. Hausbesitzer wiederum können mit der VE feststellen, ob sich der Wert ihres Eigenheimes tatsächlich erhöht hat (die größte Investitionsentscheidung im Leben eines Bürgers ist der Haus/Wohnungskauf). Durch Festlegung der Steuergrenzen in VE kann die kalte Progression eliminiert werden. Geldgeschäfte (wie Sparen, Kredite und Tilgung/Zins) werden nicht an Verrechnungseinheiten gekoppelt und unterliegen der Inflation.
Es existiert bereits ein reales und erfolgreiches Beispiel für eine VE: Den Unidad de Formento (UF) in Chile. Eingeführt wurde er 1967 und er wird bis heute verwendet.
Diskussion
Falls eine Diskussion zu einzelnen Punkten gewünscht ist, ich habe hier einen Thread dazu angelegt und kommentiere dort die Anmerkungen:
https://forum.piratenpartei-wien.at/viewtopic.php?f=91&t=4436
Ich bitte alle, die Teile der Umfrage kommentieren, den entsprechenden Teil zu zitieren und dann zu kommentieren.
Quellen
Die Subprime Lösung: Wie wir in die Finanzkrise hineingeraten sind - und was wir jetzt tun sollten
Robert J. Shiller
http://www.amazon.de/dp/3938350954/
Robert Shiller ist wieder da. In seinem aktuellen Werk The Subprime Solution beschäftigt sich der Autor des Bestsellers Irrational Exuberance mit den Ursachen und Folgen der gegenwärtigen Immobilien- und Finanzkrise. Der Yale-Professor sieht die Ursache für die Krise in den letzten beiden großen Blasen Aktien in den 1990ern und Immobilien von 2000 bis 2007. Er zeigt, wie diese Blasen dazu führten, dass das Kreditvolumen in den USA explodierte eine Entwicklung, die nun in Bankrott, Zwangsversteigerung und einer globalen Kreditkrise endet. Um das Vertrauen in die Märkte wiederherzustellen, sind konzertierte Rettungsaktionen dringend nötig. Sein Fokus liegt dabei allerdings auf den Opfern der Subprime-Deals, auf den tausenden US-Haushalten mit geringem Einkommen und gigantischen Schulden. Langfristig fordert. Die Subprime-Lösung einen völlig neuen Umgang mit finanziellen Risiken. Eine neue Kultur verbesserter Information, einfacher Verträge und Regelungen sowie neuer Maßnahmen, die den Verbraucher besser schützen. Dieses aktuelle Buch sollte jeder gelesen haben, der verstehen möchte, wie wir in die Subprime-Krise hineingeraten sind und der wissen möchte, wie wir wieder herausfinden.