Initiative i2386: Überarbeitung, denn Programm-Ini39 schadet den Kleinparteien
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Letzter Entwurf vom 17.05.2013 um 20:03 Uhr · Quelltext · Zeige alle Versionen (6)

Der folgende Text möge an anstelle von i39 (single transferable vote nach irischem Vorbild) ins Parteiprogramm aufgenommen werden (Option 1):

Text

Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie

Wahlrecht

Mischsystem Übertragbare Einzelstimmgebung (Single Transferable Vote) mit Proportionalausgleich

Die Piratenpartei Österreichs spricht sich mittelfristig für einen Wechsel des Wahlsystems für Nationalratswahlen von Verhältniswahlrecht mit Parteilisten auf ein 50-50-Mischsystem mit übertragbarer Einzelstimmgebung (Single Transferable Vote, STV-Droop-Gregory) mit Proportionalausgleich in einem zweiten bundesweiten Ermittlungsverfahren aus. Dieses Mischsystem hat – anders als reines STV mit kleinen Wahlkreisen ! - den großen Vorteil, dass es einerseits die Proportionalität erhält, andererseits aber eine deutlich stärkere Persönlichkeitswahlkomponente beinhaltet. Für das bundesweite Zweitverfahren kann jeder Wähler eine Parteistimme und eine Vorzugsstimme bzgl. Bundesliste abgeben.

Bei wahlkreisinternen STV reiht jeder Wähler die Wahlkreiskandidaten nach seiner persönlichen Präferenz. Bei der Auszählung werden zunächst die Erstpräferenzen gezählt. Erreicht nun ein Kandidat die nötige Stimmenquote (in Abhängigkeit der noch gültigen Stimmen), so ist er gewählt und seine überschüssigen Stimmen werden anteilsmäßig entsprechenden der Reihungen auf den Wahlzetteln an den nächsten Kandidaten weiterverrechnet.
Sobald in irgendeinem Schritt kein Kandidat mehr die Quote erreicht, aber noch nicht alle Plätze vergeben sind, wird der derzeit letztplatzierte Kandidat gestrichen und dessen Stimmen weiterverrechnet; dieses Prozedere wird fortgesetzt, bis alle Plätze im entsprechenden Wahlkreis vergeben sind.

Zur Droop-Quote: Die Droop-Quote ist als (gültige Stimmen)/(zu vergebende Sitze + 1) + 1
definiert und ist bei STV international gebräuchlich.
Zur gewichteten inklusiven Gregory-Methode (weighted inclusive Gregory method): Ein wichtiger Aspekt von STV ist, dass nicht nur „unverbrauchte“ Stimmen von chancenlosen Kandidaten weiterverrechnet werden, sondern auch „überschüssige“ Stimmen von gewählten Kandidaten (also jene Stimmen, die ein gewählter Kandidat zum Zeitpunkt, da er die Quote erreicht, über die Quote hinaus erhalten hat). Nach der gewichteten inklusiven Gregory-Methode werden alle Stimmen für einen bereits gewählten Kandidaten weiterverrechnet, gewichtet nach dem tatsächlichen Überschuss an Stimmen über die Droop-Quote hinaus.
In bisherigen Implementierungen von reinem STV ohne Zweitverfahren hat sich gezeigt, dass zu kleine Wahlkreise kleinere Parteien benachteiligen.

Das Bundesgebiet soll in ca. 14 Wahlkreise zu ca. durchschnittlich 6.5 Mandaten geteilt werden.
Ein möglicher grober Vorschlag für eine Wahlkreisaufteilung wäre folgender:

Wahlkreis – Sitze – dzt. RWKe - Bevölkerung
Bgld/NÖ Süd 5 1A,1B,3E 488482
Kärnten 6 2A-2D 557773
NÖ Nord 8 3A-3C 757055
NÖ Mitte 9 3D,3G,3F 658133
Linz/Traunvtl 6 4A,4D 582564
OÖ Nord 9 4B,4C,4E 834208
Salzburg 6 5A-5C 534122
Graz-StmkSüd 8 6A-6D 711389
Stmk Nord 6 6E-6H 501866
Tirol o.Oberl. 6 7A,7B,7D,7E 581034
Arlbergregion 6 8A,8B,7D 505156
Wien Innen 5 9A-9C 492768
Wien Süd 7 9D,9E 663808
Wien Nord 6 9F,9G 574660
Gesamt 91 8443018

Da nur ca. die Hälfte der Mandate im ersten Verfahren vergeben wird, und die zweite Hälfte in einem zweiten bundesweiten proportionalausgleichenden Ermittlungsverfahren aufgrund der Gesamtstimmenzahl (nicht der Reststimmenzahl !), ist eine Wahlkreiskommission, die immer unter dem Verdacht steht, Gerrymandering / Wahlkreisschneiderei zu betreiben, überflüssig. In zweiten Verfahren soll das Sainte-Laguë-Verfahren verwendet werden.

Eine Anpassung/Veränderung von Wahlkreisen nach z.B. Bevölkerungszählungen, ist möglich, aber nicht nötig, weil das zweite Verfahren eine ausgleichende Funktion hat.
• Die Größe der Wahlkreise sollte 5 bis 9 Sitze betragen.
• Durch den Proportionalausgleich im zweiten bundesweiten Ermittlungsverfahren werden Ungleichheiten im Stimmgewicht ausgeglichen.

Die Piratenpartei Österreichs fordert keine Änderung der Wahlsysteme zum Europäischen Parlament, zu Landtagen und zu Gemeinderäten auf ein vergleichbares Wahlsystem, sondern will erst einmal mit diesem Modell Erfahrungen sammeln, bevor sie in jugendlichem Überschwang wie üblich eine Ausdehnung verlangt.

Begründung

Kein Antrag der TF VwR !
Nur ein Mischsystem verbindet die Vorteile eines Verhältniswahlsystems mit denen eines Persönlichkeitswahlsystems, was ein reines STV – anders als in i39 behauptet - niemals kann. Auch unabhängige Kandidaten oder Einthemenexperten ohne Beziehung zu Medien oder regionalen Großbetrieben haben gute Chancen, über die Bundesliste gewählt zu werden. Formulierungen wie „Listendiktat der Parteien“ wie in i39 sind populistisch und vereinfachend und widersprechen daher Grundwerten und Kodex der PP. Die Beseitigung des „Listendiktats der Parteien“ (so i39) könnte auf ein – ebenso populistisch formuliert - „Mediendiktat“ oder auf ein „Diktat regionaler Großbetriebe“ hinauslaufen.

Die Zustimmung zu https://lqfb.piratenpartei.at/initiative/show/39.html erfolgte vielleicht wegen unrichtigen Behauptungen: die Behauptung von i39 war, dass bei reinem STV mit kleinen Wahlkreisen die Proportionalität gewahrt bleibe, dass reines STV die Vorzüge von Verhältniswahlrecht und Persönlichkeitswahlrecht verbinde, was nicht der Fall ist.

Genau genommen müsste man aufgrund der Verfassung anstelle der Bevölkerungszahl die Bürgerzahl (Staatsbürger) verwenden, aber auf die Schnelle konnte ich das nicht recherchieren. Wieso sollte ich auch, wo doch ohnehin aufgrund der Vergangenheit die Ahnung besteht, dass alles – und sei es noch so recherchiert – von Superdelegierten niedergestimmt wird ?

Der große Nachteil eines reinen STV in kleinen Wahlkreisen ist, dass Kleinparteien benachteiligt werden. Und eine Kleinpartei, die ein kleinparteifeindliches Wahlsystem, das Kleinparteien benachteiligt, in ihr Parteiprogramm aufnimmt, wird von der Öffentlichkeit wahrscheinlich zu Recht als inkompetent eingestuft.
Ich verweise auf Rechenbeispiele in https://lqfb.piratenpartei.at/initiative/show/2348.html, die darauf hinauslaufen, dass Parteien bis zu ca. 15% Stimmenanteil bei reinem STV mit kleinen Wahlkreisen ohne Zweitverfahren (jetziges Parteiprogramm der PP !!!) mandatslos (!!!!!) bleiben können.

Internationale Fachliteratur zu Single Transferable Vote a la Irland

Der deutsche Wahlsystemforscher Dieter Nohlen (Universität Heidelberg, Standardwerk "Wahlrecht und Parteiensystem", UTB Wissenschaft, Leske und Budrich) schreibt über das irische Single-Transferable-Vote in kleinen Wahlkreisen, das Vorbild für i39 war:

"Für die Auswirkungen des Wahlsystems ist infolge der Stimmenverrechnung auf Wahlkreisebene die Wahlkreiseinteilung bzw. die durchschnittliche Zahl der Mandate im Wahlkreis von größter Bedeutung."

"Hinsichtlich des Repräsentationsprinzips liegt aufgrund der Wahlkreisgröße an sich Mehrheitswahl vor. Denn die von Rae (1967) aufgestellte These, kleine Wahlkreise bewirken größere Disproportionalitäten, ist theoretisch vollkommen einsichtig: die kleinen Wahlkreise in Irland stellen faktisch eine hohe Hürde dar; ein Kandidat benötigt zwischen rund 17 Prozent (Fünferwahlkreis) und rund 25 Prozent (Dreierwahlkreis) der Stimmen, um ein Mandat zu erhalten. Tendentiell werden dadurch stimmenstarke Parteien auf Kosten stimmschwacher (ohne geographisch konzentrierte Wählerschaft) bevorteilt."

"...., doch letztlich wird stets eine beachtliche Stimmenzahl nicht in Mandate übertragen: im Dreierwahlkreis müssen die drei Bewerber eine Quote von rund 25 Prozent der Stimmen erreichen; knapp ein Viertel der Stimmen schlägt sich damit nicht in Mandate nieder."

"Es läßt sich eine Überrepräsentation der beiden stimmenstärksten Parteien(in der Regel auf Kosten kleinerer Parteien und unabhängiger Bewerber) ausmachen."

"Die 25 Wahlen zwischen 1933 und 1997 brachten 5 künstliche absolute Mandatsmehrheiten hervor: allesamt für Fianna Fail und auf Basis hoher Stimmanteile"

"Ansonsten sind die Parteien darauf angewiesen, Koalitionen bzw. Wahlallianzen einzugehen. Insbesondere Absprachen vor der Wahl sind dabei von Bedeutung. Ähnlich dem Fine Gael-Wahlkampfslogan: `Vote Fine Gael and continue your preferences with Labour` (siehe McKee 1983) können die beiden Parteien ihren Wählern empfehlen, niedrige Präferenzen an den Koalitionspartner zu geben."

"1969 erhielten Fine Gael und Labour zusammen 51,1 % der Stimmen, aber nur 47,6% der Mandate; sie hatten keine Absprachen im Vorfeld der Wahl getroffen. "

"1973 dagegen trafen Fine Gael und Labour Wahlabsprachen und gewannen mit zusammen 48,8 % der Stimmen 51,1 % der Mandate."

"Zwischen 1922 und 1977 haben rund ein Viertel der Irischen Wähler ihre Präferenzen über die Parteigrenzen hinweg vergeben (siehe Gallagher 1986)"

"Tabelle 56: Wahlen zum irischen Dail
Name / Jahr / Stimmenanteil / Mandatsanteil
Kleinparteien in Summe / 1969 / 3,2 / 0,7
Kleinparteien in Summe / 1973 / 5,0 / 1,4
Kleinparteien in Summe / 1977 / 7,3 / 2,7
Kleinparteien in Summe / 1981 / 8,3 / 4,8
Kleinparteien in Summe / 1982.1 /6,3 / 3,6
Progressive Democrats / 1987 / 11.9 / 8.5
Progressive Democrats / 1989 / 5.4 / 3.6
Progressive Democrats / 1992 / 4.7 / 6.0
Progressive Democrats / 1997 / 4.7 / 2.4
Worker Party DL / 1989 / 5.5 / 4.2
Worker Party DL / 1992 / 3.5 / 2.4
Worker Party DL / 1997 / 2.5 / 2.4
DLI und sonstige / 1982.2 / 6.2 / 2.4
DLI und sonstige / 1987 / 10.5 / 4.8
DLI und sonstige / 1989 / 6.0 / 3.0
DLI und sonstige / 1992 / 8.9 / 3.6
DLI und sonstige / 1997 / 15.2 / 6.0"
 

Aus meiner Sicht stellt sich zusätzlich die Frage, ob das irische STV überhaupt Persönlichkeitswahlrecht ist. Denn der inhärente Zwang zu Wahlabsprachen und Wahlallianzen über alle Wahlkreise hinweg stellt eher eine Art Wahlabsprachenwahlrecht als eine Art Persönlichkeitswahlrecht dar.

Zusätzlich hatten drei Viertel der irischen Wähler und Wählerinnen nur Kandidaten bzw. Kandidatinnen einer einzigen Partei auf ihrer Präferenzliste, was den Eindruck bestätigt, dass nach wie vor Parteien dominieren, nicht Persönlichkeiten.