Initiative i1570: Geldschöpfung in öffentliche Hand, ein Ausweg aus der Schuldenkrise
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Letzter Entwurf vom 10.12.2012 um 10:22 Uhr · Quelltext · Zeige alle Versionen (3)

Bei näherem Hinsehen bekommt man den Eindruck, dass die Staatenlenker beim Versuch, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, ziemlich hilflos sind. Bei ihren Krisengipfeln denken sie nicht daran, die bestehende Geldordnung zu reformieren. Im Gegenteil, sie versuchen sie mit allen Mitteln zu retten, indem sie an den verschiedensten Stellschrauben drehen und wollen oder können nicht wahrhaben, dass wegen der bisherigen ineffizienten Maßnahmen das Pulverfass auch im Euroraum schon jeden Augenblick zu explodieren droht.

Ob Henry Ford es wirklich gesagt hat, oder ob man es ihm nur in den Mund gelegt hat, ist unerheblich, wahr dürfte es auf jeden Fall sein: "Würden die Menschen verstehen, wie unser Geldsystem funktioniert, hätten wir eine Revolution - und zwar schon morgen früh."
Wenn es uns Piraten gelänge, den Menschen die Funktionsweise des gegenwärtigen Geldsystems so zu erklären, dass sie es auch verstehen können, und wenn wir ihnen darüber hinaus auch noch ein besseres, demokratischeres, letztlich humaneres anbieten könnten, würden sie uns möglicherweise massenhaft zulaufen und uns den Auftrag geben, die Revolution ohne Blutvergießen zu gestalten.

Um etwas erklären zu können, muss man es zu allererst einmal selbst verstehen. Angesichts der Komplexität und Intransparenz der bestehenden Geldordnung ist es für Leute, die sich in die Materie noch nicht eingelesen haben und eindiskutiert sind, sehr mühsam, sich einen Überblick zu verschaffen. Das wird wohl auch auf viele Piraten und solchen, die es noch werden wollen, zutreffen.

Das Buch von Joseph Huber "Monetäre Modernisierung Zur Zukunft der Geldordnung: Vollgeld und Monetative, 3., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage" erklärt zwar sehr detailreich die Funktionsweise des heutigen Geldes und einen möglichen Ausweg aus der Schuldenkrise , aber Leute, die im Beruf stehen und sich in anderen Themen engagieren, werden kaum die Zeit finden, sich durch 258 Seiten durchzubeißen. Noch dazu ist es für Neueinsteiger nicht ganz leicht zu lesen. Mit einigen Kernaussagen kann sich aber jeder bzw. jede auseinandersetzen:

Die meisten Menschen glauben, die Banken könnten nur das Geld als Kredite vergeben, das vorher andere Menschen eingezahlt haben. So sollte es sein, ist es aber nicht. Wahr ist vielmehr: Die Banken machen sich das Geld, das sie als Kredite vergeben selber, indem sie auf das Girokonto des Kreditnehmers den Betrag des Kredites schreiben. Man nennt dieses Geld Giralgeld und ist nur Anspruch auf Bargeld, obwohl sie (die Banken) nur über einen Bruchteil dessen, was sie an Kredit vergeben haben, an Bargeld und Reserven verfügbar haben. Diesen Anspruch auf Bargeld (Giralgeld genannt) kann man per Überweisung an andere Menschen abtreten und wirkt daher wie Geld und wird auch als solches wahrgenommen. 95% des Zahlungsverkehrs wird heute mit Giralgeld abgewickelt. Im Klartext: Die Banken machen sich das Geld für die Kredite, die sie vergeben, selber.

Unglaublich aber wahr, die Banken verlangen für das von ihnen erzeugte (in der Bankensprache: geschöpftes) Giralgeld Zinsen, obwohl es sie nur ein paar Mausklicks kostet. Der Gewinn aus dieser Giralgeldschöpfung errechnet sich aus den Kreditzinsen (Zinsen für das von den Banken geschöpfte Giralgeld) abzüglich der Zinsen, die für die Guthaben auf den Girokonten von den Banken bezahlt werden, und der Betriebs- und Personalkosten der Bank. Der so errechnete Gewinn aus der Giralgeldschöpfung betrug in Österreich 2007 2,3 Mrd. Euro und 2011 1, 7 Mrd. Euro ergibt jedenfalls jedes Jahr Milliardenbeträge.

Wer kassiert diesen Giralgeldschöpfungsgewinn? Die Eigentümer der Bank als Dividende, einen Teil auch die Manager als Boni.
Ein Teil der von den Banken geschöpften Giralgeldmenge geht nicht in die Realwirtschaft, sondern dient der Spekulation auf dem Finanzmarkt.

Wird ein Kredit zurückbezahlt, verschwindet das Giralgeld aus den Bilanzen, es existiert nicht mehr. Kann ein Kredit nicht zurückbezahlt werden (z.B. Platzen einer Finanzblase) kommt die Bank in Schwierigkeiten, weil der Anspruch auf Bargeld und in der Zwischenzeit vom ursprünglichen Kreditnehmer zu anderen Wirtschaftsteilnehmern weitergewandert ist, weiter besteht. Ein Bargeld, das die Kredit gebende Bank nie gehabt hat und sich nur gegen Sicherstellungen beschaffen kann. Kann sie die Sicherstellungen nicht erbringen, droht der Konkurs. Ist in jüngster Zeit massenhaft passiert. Anstatt die Bankeigner, die jahrzehntelang den Giralgeldschöpfungsgewinn kassiert haben, in die Pflicht zu nehmen, wurden und werden auf Kosten der Steuerzahler Bankenrettungspakete geschnürt. Gewinne wurden und werden privatisiert, Verluste sozialisiert.

Der Staat (und das sind wir alle, die Regierungen sind nur unsere Vertreter) bekommt von der Zentralbank keinen Cent, sondern muss sich für seine Investitionen - wie jeder private Unternehmer auch - Giralgeld von den privaten Banken holen und kräftig Zinsen zahlen, die in die Taschen der Bankeigner und Manager fließen. Die Zinszahlungen des Bundes betragen in Österreich in der Zwischenzeit ca. 9 Mrd. Euro jährlich.

Damit das ganze Debakel nicht ins Uferlose steigt, hat man den Fiskalpakt mit den dazugehörigen Sparpaketen erfunden. Überall muss gespart werden: Bei der Verwaltung, bei den Löhnen, Pensionen, der Bildung, im Gesundheitswesen (in Spanien sollen bereits Spitäler privatisiert werden), etc., etc.
Auf die Idee, das perverse Giralgeldsystem abzuschaffen und die Geldschöpfung wieder in die öffentliche Hand zu legen, scheinen die Volksvertreter Europas und anderswo noch nicht gekommen zu sein, obwohl ausgefeilte Konzepte seit Jahren auf dem Tisch liegen.

Die einzige Sicherstellung, die der Staat (und das sind wir alle) für die Bedienung seiner Kredite in Giralgeld (Tilgung und Zinszahlung) geben kann, sind zukünftige Steuereinnahmen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum wir die Geldschöpfung den privaten Banken überlassen und dafür auch noch fette Zinsen zahlen sollen, wenn wir uns das Geld über eine 4. Staatsmacht (neben Legislative, Exekutive und Judikative), die Monetative selber machen können und dafür keine Zinsen bezahlen müssen.

Wie eine alleinige Geldschöpfung in öffentlicher Hand gehen könnte, beschreibt Joseph Huber im Kapitel 3.1 "Wiederherstellung des staatlichen Geldregals. Zentralbank als Monetative" in seinem oben zitierten Buch . Es gäbe dann nur mehr Zentralbankgeld, das er Vollgeld nennt. Den Banken wäre jede Art von Geldschöpfung verboten. Giralgeld gibt es nicht mehr.

Vorteile des Vollgeldsystems unter anderen:

Der Geldschöpfungsgewinn bleibt in voller Höhe in der öffentlichen Hand.

Der Geldschöpfungsgewinn bei einem Geldmengenzuwachs bei einem 2%igen Wirtschaftswachstum beträgt in Österreich etwa 6 Mrd. Euro (Seite 170 oben genannten Buches)

Punktgenaue Steuerung der Geldmenge (im Giralgeldsystem trotz gegenteiliger Behauptung so gut wie unmöglich)

Bei der Umstellung vom Giralgeldsystem zum Vollgeldsystem muss das Giralgeld durch Vollgeld ersetzt werden, wodurch ein einmaliger Geldschöpfungsgewinn (Seigniorage) anfällt, der dem Staat zufällt, womit er innerhalb von 2 - 4 Jahren bis zu 80% seiner Staatsschuld tilgen kann, ohne Steuerhöhung, Sparpakete oder sonstiger Maßnahmen.

Nachdem nach Einführung des Vollgeldes dieses wie das jetzige Bargeld nicht mehr verschwinden kann, ist der Staat nach weitgehendem Abbau der Staatsschulden nicht mehr in Geiselhaft der Banken und Ratingagenturen und die Regierung hätte bei der Sorge um das Wohl der Bürger wesentlich mehr Handlungsspielraum als im Giralgeldregime.

Damit im Vollgeldsystem nicht durch Hortung Zinsen erpresst werden können, kann das Vollgeld auch mit einer Umlaufsicherung versehen werden, was eine Ergänzung zu Hubers Vorschlägen wäre.

Zusammenfassung:

Wenn sich die Piratenpartei Österreichs im Gegensatz zu den übrigen wahlwerbenden Parteien bei der nächsten Nationalratswahl über dieses Thema drüber traut, wäre es höchste Zeit die Diskussion so bald als möglich und so intensiv als möglich mit allen Piraten zu führen, so dass beim nächsten Bundesparteitag ein diesbezüglicher Programmpunkt beschlossen werden kann.

Wenn es den Kandidaten für die Nationalratswahl 2013 gelingt, das Problem und die Lösung den Wählern über die Medien in geeigneter Form zu vermitteln, dürfte der Run zu den Piraten groß sein. Wähler kann man nur in Wahlzeiten für große Themen gewinnen. Wann, wenn nicht jetzt? Wer zu spät kommt, den straft die Geschichte.

Die Kandidaten müssten allerdings ziemlich sattelfest sein, denn die Bankenlobby dürfte mit ganz schwerem Geschütz auffahren.

Ich freue mich auf eine lebhafte Diskussion.

Mit lieben Grüßen
Maldonado