Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
 
 
Erstaunliches durften wir in der Kleinen Zeitung vom 2.2.2015 im Graz-Teil lesen. Demnach forderten Sie anstelle von Geldstrafen, die integrationsunwilligen Immigranten auferlegt werden sollten, ein Maßnahmenpaket. Ihr sogenanntes Anreizmodell, ähnlich dem „Mutter-Kind-Pass“, soll Pflichten und Angebote festhalten, die erfüllt und angenommen werden müssen. In diesem Pass – so führten Sie aus – sollen entscheidende gesellschaftliche Spielregeln eingefordert werden, die dem Zuziehenden in dessen Sprache genau erklären, worauf es in der Teilnahme an unserer Gesellschaft ankäme. Über Gutscheine und Fördermaßnahmen sollen Deutschkurse, Gesellschaftskunde, Demokratiekunde sowie Arbeitsberatung angeboten werden. Ähnlich dem Mutter-Kind-Pass solle die Absolvierung dieser Fördermaßnahmen mit einem Stempel bestätigt werden, wodurch erst nachvollziehbar werde, wie ernst ein jeweiliger Zuziehender das Thema Integration nehme. Abschließend solle von sogenannten Integrationslotsen – so Ihre Vorstellungen – der Werdegang des jeweiligen Immigranten begleitet und kontrolliert werden, und nach drei Jahren solle eben dieser Lotse eine Art Abschlussbericht verfassen, mit dessen letzten Stempel der Integrationspass dann versehen werde, woraus in letzter Konsequenz erst der Zugang zu den verschiedenen Leistungen der Gebietskörperschaft resultierten. Sollte der Pass nicht alle Stempel enthalten, dann könne es aus Sicht der Stadt Graz eben keine Gemeindewohnung geben – so führten Sie aus – und auch keine Sonderleistungen, wie die SozialCard und dergleichen.
 
Abgesehen von einigen Ungereimtheiten, die im weiteren noch auszuführen sind, erstaunt doch der Zeitpunkt Ihrer Presseerklärung, sehr geehrter Herr Bürgermeister. Einleitend erlaube ich mir kritisierend auszuführen, dass Sie in Ihrer Eigenschaft als Grazer Bürgermeister nun in Bälde das 13. Jahr im Amt sein werden und seit dem auch der Innenminister aus den Reihen der ÖVP gestellt wird. Wenn Sie es wirklich ernst mit diesem Thema meinten, so hätten Sie am kurzen Wege über das zuständige Innenministerium und auch über andere Kanäle, wie etwa das Justizministerium - denn auch dieses befindet sich seit 2008 in der Hand der ÖVP – entsprechende Handlungsnotwendigkeiten transportieren können. Das konkrete Problem, das Sie nun ja wohl unter den Eindrücken der nahenden Landtagswahl erkannt zu haben glauben, ist ja kein allzu neues. Leider hat sich bestätigt, dass die Warnungen der FPÖ zur Realität wurden bzw. dass die Befürchtungen der FPÖ in Teilbereichen sogar übertroffen wurden. Ich erinnere, dass KO Mag. Armin Sippel in der vergangenen GR-Periode einen seiner Dringlichen Anträge zu einem ähnlichen Thema mit dem Satz schloss: „Sollten wir nicht Recht behalten und sich die künftige Entwicklung in unserer Stadt im Speziellen und in Österreich im Allgemeinen weit günstiger entwickeln, als wir dies heute annehmen, so werden wir diesen Umstand zu gegebener Zeit gerne zur Kenntnis nehmen. Sollten wir aber Recht behalten und die Probleme in unserer Stadt weiterhin ungelöst bleiben, so werden sich diese potenzieren, denn es ist nun einmal ein Gesetz der Logik, dass sich ein unter den Teppich gekehrtes Problem nicht einfach auflöst, sondern ungesehen und unbemerkt zumeist weiter anwächst.“
 
Diesen Ausführungen ist angesichts der jüngsten Entwicklungen in unserer Stadt wenig hinzuzufügen. Ich erinnere daran, dass im Zusammenhang mit den tragischen Anschlägen in Frankreich, Belgien sowie in anderen europäischen Staaten auch in Österreich eine erhöhte Sicherheitsstufe seitens des Innenministeriums ausgerufen wurde. Im Rahmen dieser Maßnahmen waren auch in Graz an öffentlichen Plätzen, Einkaufszentren und dergleichen vermehrt Polizeikräfte im Einsatz. Mag dieser Umstand auf den ersten Blick auch nur dazu gedient haben, das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung zufrieden zu stellen, so darf der inhaltliche Kern dieser Maßnahmen nicht ignoriert werden. Es gibt in Österreich und durchaus auch in Graz radikale islamische Zellen, deren Zielsetzungen mit jenen eines säkularen demokratischen Staates nicht in Einklang zu bringen sind. Diese Aussage stellt keine Vorverurteilung sämtlicher Migranten oder nur jener mit islamischem Hintergrund dar. Diese Behauptung ist eine realistische Einschätzung der Sachlage, die sich an Fakten und an Berichten der Sicherheitsbehörden orientiert. 
 
Interessant an Ihren Vorschlägen, sehr geehrter Herr Bürgermeister, ist der hohe Aufwand, der betrieben werden muss, um Migranten auf ihrem Weg in die Gesellschaft zu begleiten. Auch das ist im Übrigen eine Tatsache, auf die seitens der FPÖ schon vor längerer Zeit hingewiesen wurde. Wer ein Einwanderungsland sein möchte, sollte sich eben auch wie ein solches verhalten. Dies bedeutet im verantwortungsbewussten Umgang mit Migration, die eigenen finanziellen und personellen Grenzen klar festzulegen. Eine Gesellschaft muss sich die gewiss unangenehmen Fragen stellen, wie viele Menschen tatsächlich aufgenommen, beherbergt und versorgt werden können, und wie viele Migranten letztendlich in die Gesellschaft integriert werden können, damit sie auch zum Bestandteil eben dieser Gesellschaft werden. Die überbordende, uferlose Aufnahme von Migranten und das damit einhergehende Sich-selbst-Überlassen dieser Gruppen führt jedenfalls verstärkt zur Segregation und mündet letztendlich darin, dass sich die einzelnen Ethnien je nach Herkunftsland zusammenfinden, woraus sich wiederum zahlreiche Parallelgesellschaften entwickeln. Eine sinnvolle und zweckmäßige Herangehensweise im Sinne einer homogenen, geschlossenen Gesellschaft sieht jedenfalls anders aus.
 
Ihre Maßnahmen, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sind sehr kostenintensiv. Diese Kosten werden vom Steuerzahler zu tragen sein. Resultierend aus dieser Überlegung muss auch auf die Versäumnisse der Vergangenheit hingewiesen werden. Hätte man die Umstände und die Problemfelder bereits zu einem Zeitpunkt erkannt, als man dem uferlosen Zuzug noch das Wasser gepredigt hat, so hätten sich diese Kosten vermutlich zeitnah durch entsprechende Maßnahmen in einem überschaubaren Rahmen halten lassen. Berücksichtigen wir die Anzahl jener Personen, die bereits im Lande sind und die Anzahl jener Menschen, die sich im Konkreten auch in unserer Stadt befinden, bedenken wir ferner, dass diese Personen auch tatsächlich im Rahmen der von Ihnen angedachten Maßnahmen berücksichtigt werden müssten und ziehen wir schlussendlich künftige Einwanderungsströme ins Kalkül, so drängt die Frage in den Vordergrund, wie Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, die nötigen finanziellen Mittel auftreiben wollen, um dieses Projekt und diese Integrationsbegleitung ernsthaft und vor allem zielführend durchführen zu können. Nicht zuletzt birgt Ihr Vorschlag auch einige rechtliche Überlegungen in sich, die noch der Klärung bedürfen. Ich stelle also fest, dass zahlreiche Punkte Ihres Vorstoßes übergeordnete Rechtsmaterien betreffen, die sich im eigenen Wirkungsbereich der Stadt Graz ganz sicher nicht lösen lassen werden.
 
Nun darf ich an meine einleitenden Ausführungen erinnern, dass Ihre Partei seit März 2000 den Innenminister stellt. Notwendige legistische Maßnahmen liegen also durchaus schon seit längerer Zeit in der Hand der Volkspartei. Ihr Vorstoß scheint wohl eher wahltaktischer Natur gewesen zu sein. Dennoch soll - wenn der sich noch im Amt befindliche Grazer Bürgermeister zu einem politischen Vorstoß dieser Art bewegen lässt – auch ausführlich darüber diskutiert werden. Haben auch die berichterstattenden Medien die entscheidenden Fragen nicht gestellt, so soll dies hiermit durch den Gemeinderat nachgeholt werden, womit Ihnen auch die Gelegenheit gegeben werden soll, sich in dieses Thema inhaltlich ausführlich zu vertiefen. 
 
Es ergeht somit namens des Freiheitlichen Gemeinderatsklubs nachstehender
 
 
Dringlicher Antrag
gem. § 18 der GO f. d. Gemeinderat
der Landeshauptstadt Graz
 
 
Der Gemeinderat wolle beschließen:
 
=Herr Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl wird höflich ersucht, dem Gemeinderat sein im Interview mit der Kleinen Zeitung vom 2.2.2015 angekündigtes Maßnahmenpaket zu präsentieren. Hierbei bittet der Gemeinderat um eine genaue Darstellung der notwendigen rechtlichen Schritte und um eine Auflistung der damit in Verbindung stehenden notwendigen Koordinierungsmaßnahmen mit übergeordneten Gebietskörperschaften.= 
 
=Ferner sind für den Gemeinderat die Frage der Finanzierung sowie eine erste Kosteneinschätzung von Interesse. Abschließend interessiert den Gemeinderat ein erläuternder Zeitstrahl betreffend die Umsetzung dieser Maßnahmen. Der Gemeinderat hält ausdrücklich fest, dass Herr Bürgermeister Nagl im Rahmen dieses Antrages lediglich um einen Bericht dieses Maßnahmenpaket betreffend gebeten wird.= 
 
=Mag auch ein Großteil der avisierten Maßnahmen des Herrn Bürgermeisters außerhalb des eigenen Wirkungsbereiches der Stadt Graz liegen, so weist der Gemeinderat darauf hin, dass eine Berichterstattung grundsätzlich zu jedem Thema möglich sein sollte und dass nicht zuletzt Herr Bürgermeister Nagl in seiner Eigenschaft als Grazer Bürgermeister selbst diese Maßnahmen gefordert hat. Einzelne aus dem Bericht resultierende Maßnahmen müssten - sofern überhaupt im eigenen Wirkungsbereich gelegen und damit dem Ressortprinzip unterliegend – einer gesonderten Beschlussfassung unterzogen werden.=