Die Programm-Initiative i39 (Single transferable Vote bei durchschnittlicher Wahlkreisgröße ca. 6,5) solle überarbeitet werden, und durch entweder Vergrößerung der Wahlkreise oder Einführung eines zusätzlichen, zweiten bundesweiten Ermittlungsverfahrens proportionaler und fairer insbesondere für Kleinparteien werden.

Begründung

Der deutsche Wahlsystemforscher Dieter Nohlen (Universität Heidelberg, Standardwerk "Wahlrecht und Parteiensystem", UTB Wissenschaft, Leske und Budrich) schreibt über das irische Single-Transferable-Vote in kleinen Wahlkreisen, das Vorbild für i39 war:

"Für die Auswirkungen des Wahlsystems ist infolge der Stimmenverrechnung auf Wahlkreisebene die Wahlkreiseinteilung bzw. die durchschnittliche Zahl der Mandate im Wahlkreis von größter Bedeutung."

"Hinsichtlich des Repräsentationsprinzips liegt aufgrund der Wahlkreisgröße an sich Mehrheitswahl vor. Denn die von Rae (1967) aufgestellte These, kleine Wahlkreise bewirken größere Disproportionalitäten, ist theoretisch vollkommen einsichtig: die kleinen Wahlkreise in Irland stellen faktisch eine hohe Hürde dar; ein Kandidat benötigt zwischen rund 17 Prozent (Fünferwahlkreis) und rund 25 Prozent (Dreierwahlkreis) der Stimmen, um ein Mandat zu erhalten. Tendentiell werden dadurch stimmenstarke Parteien auf Kosten stimmschwacher (ohne geographisch konzentrierte Wählerschaft) bevorteilt."

"...., doch letztlich wird stets eine beachtliche Stimmenzahl nicht in Mandate übertragen: im Dreierwahlkreis müssen die drei Bewerber eine Quote von rund 25 Prozent der Stimmen erreichen; knapp ein Viertel der Stimmen schlägt sich damit nicht in Mandate nieder."

"Es läßt sich eine Überrepräsentation der beiden stimmenstärksten Parteien(in der Regel auf Kosten kleinerer Parteien und unabhängiger Bewerber) ausmachen."

"Die 25 Wahlen zwischen 1933 und 1997 brachten 5 künstliche absolute Mandatsmehrheiten hervor: allesamt für Fianna Fail und auf Basis hoher Stimmanteile"

"Ansonsten sind die Parteien darauf angewiesen, Koalitionen bzw. Wahlallianzen einzugehen. Insbesondere Absprachen vor der Wahl sind dabei von Bedeutung. Ähnlich dem Fine Gael-Wahlkampfslogan: `Vote Fine Gael and continue your preferences with Labour` (siehe McKee 1983) können die beiden Parteien ihren Wählern empfehlen, niedrige Präferenzen an den Koalitionspartner zu geben."

"1969 erhielten Fine Gael und Labour zusammen 51,1 % der Stimmen, aber nur 47,6% der Mandate; sie hatten keine Absprachen im Vorfeld der Wahl getroffen. "

"1973 dagegen trafen Fine Gael und Labour Wahlabsprachen und gewannen mit zusammen 48,8 % der Stimmen 51,1 % der Mandate."

"Zwischen 1922 und 1977 haben rund ein Viertel der Irischen Wähler ihre Präferenzen über die Parteigrenzen hinweg vergeben (siehe Gallagher 1986)"

"Tabelle 56: Wahlen zum irischen Dail
Name / Jahr / Stimmenanteil / Mandatsanteil
Kleinparteien in Summe / 1969 / 3,2 / 0,7
Kleinparteien in Summe / 1973 / 5,0 / 1,4
Kleinparteien in Summe / 1977 / 7,3 / 2,7
Kleinparteien in Summe / 1981 / 8,3 / 4,8
Kleinparteien in Summe / 1982.1 /6,3 / 3,6
Progressive Democrats / 1987 / 11.9 / 8.5
Progressive Democrats / 1989 / 5.4 / 3.6
Progressive Democrats / 1992 / 4.7 / 6.0
Progressive Democrats / 1997 / 4.7 / 2.4
Worker Party DL / 1989 / 5.5 / 4.2
Worker Party DL / 1992 / 3.5 / 2.4
Worker Party DL / 1997 / 2.5 / 2.4
DLI und sonstige / 1982.2 / 6.2 / 2.4
DLI und sonstige / 1987 / 10.5 / 4.8
DLI und sonstige / 1989 / 6.0 / 3.0
DLI und sonstige / 1992 / 8.9 / 3.6
DLI und sonstige / 1997 / 15.2 / 6.0"

https://lqfb.piratenpartei.at/initiative/show/39.html

Aus meiner Sicht stellt sich zusätzlich die Frage, ob das irische STV überhaupt Persönlichkeitswahlrecht ist.

Denn der inhärente Zwang zu Wahlabsprachen und Wahlallianzen über alle Wahlkreise hinweg stellt eher eine Art Wahlabsprachenwahlrecht als eine Art Persönlichkeitswahlrecht dar.

Zusätzlich hatten drei Viertel der irischen Wähler und Wählerinnen nur Kandidaten bzw. Kandidatinnen einer einzigen Partei auf ihrer Präferenzliste, was den Eindruck bestätigt, dass nach wie vor Parteien dominieren, nicht Persönlichkeiten.