Antrag zur Satzungsergänzung um den § "Transparente Basisdemokratie".

Konkreter Text der Satzungsänderung nach dem Vorwort in der Mitte !

Hinweis: Hier war das Meinungsbild (85% Zustimmung): https://lqfb.piratenpartei.at/initiative/show/681.html

Vorwort

In Spanien gingen auch dieses Jahr wieder tausende Menschen auf die Straße und riefen „No nos representan“ – „Sie vertreten uns nicht“. Gemeint sind die gewählten Politiker.

Die Protestierenden nannten sich selbst „die Empörten“ und die Empörung ist oft auch das Einzige, was sie gemeinsam haben. Auffällig ist, dass sich diese Menschen nicht in politische Kategorien iSv Links oder Rechts einordnen lassen. Sie alle gehen auf die Straße, weil sie nicht nur den gewählten Politikern nicht mehr vertrauen – das tun sie schon seit Jahren nicht mehr.
Sie gehen auf die Straße, weil sie nicht mehr daran glauben, dass das Auswechseln der Politiker ihre
Probleme lösen kann - das wurde schon zu oft versucht.
Sie gehen auf die Straße, weil sie das Vertrauen in ihr politisches System verloren haben – Vertrauen in die Demokratie. Und zwar so nachhaltig, dass sie sich vor kurzen explizit gegen die Gründung einer eigenen Partei entschieden haben.
Auch in Österreich spricht man immer öfter von „den Politikverdrossenen“.

Von Schweden aus hat sich nun unsere Piratenbewegung gebildet und sie trifft auf Unverständnis bei den etablierten politischen Kräften – keine Ideologie, keine konkreten Forderungen, man weiß oft nicht was wir eigentlich wollen. Und dennoch ist der Zulauf enorm. Auch hier in Österreich lassen sich die Piraten nicht in politische Schemen einordnen, wir wissen um ehrlich zu sein bei vielen Themen oft selbst nicht, wofür die Mehrheit der Piraten nun steht, was also konkret Parteilinie ist, unser Programm wird als lückenhaft und unvollständig kritisiert.
Ich glaube zu Unrecht!

Anfangs wusste auch ich nicht genau, warum ich zu den Stammtischen ging. Das Einzige was ich sicher wusste war, dass die Welt vor enormen Problemen steht und die Politik die Zügel offensichtlich nicht mehr in der Hand hat – ja sie kann gar nicht mehr unabhängig entscheiden.
In einer Demokratie sollten die Politiker im Interesse des Volkes handeln – dennoch werden Atomkraftwerke gebaut, Gelder für Bildung gekürzt usw.
Und das nicht aus Unwissen oder Dummheit – jeder weiß dass Atomkraft gefährlich ist und sich auf lange Sicht nicht rechnet und jeder weiß, dass Bildung der Grundstein für eine bessere Zukunft ist. Dennoch ist die nötige Entscheidung im Sinne des Volkes von den etablierten Parteien nicht zu erwarten.

Die Resignation wächst in ganz Europa und auch Nichtwähler gibt es immer mehr.
Nur auf die Straße zu gehen ist aber in einem System, das demokratisch organisiert ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg. Ich glaube gerade deshalb sind wir nicht die Empörten, sondern Piraten, die an Lösungen für diverse Probleme arbeiten – allen voran aber gegen das Grundübel das den meisten Fehlentwicklungen zugrunde liegt: die Ohnmacht der Politik. Als Bürger ohne Partei haben wir begriffen, dass uns die heutigen Politiker nicht helfen können: wenn sich etwas ändern soll, wenn die Welt gerechter und lebenswerter werden soll, dann müssen wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Doch wie kann uns das gelingen? Haben wir in der Vergangenheit schlicht den falschen Politikern vertraut? Ich glaube nicht!

Ich glaube, die Zeit des Vertrauens ist vorbei und die Möglichkeiten, die das Internet bietet, müssen auch genützt werden um eine neue Qualität der Demokratie zu schaffen.

Seit Jahren studiere ich nun Jus und mir ist aufgefallen, dass die Gesetze nur in den Bereichen noch nachvollziehbar sind, in denen es keine wirtschaftlichen Interessen gibt. Andere Rechtgebiete, zB das Steuerrecht als besonders krasses Beispiel, sind mittlerweile zur Gänze das Werk von Interessensvertretungen und Lobbyisten.
Ein derartiger Einfluss von Partikularinteressen auf die Gesetzgebung ist nicht hinzunehmen:
Nicht nur, weil die Ergebnisse nicht mehr im Interesse der Allgemeinheit sind, sondern auch, weil vielen Entscheidungen die Legitimation fehlt. Gerade die sogenannte „Finanzkrise“ hat besonders gezeigt, wie leicht Politiker und über sie auch deren Parteien dazu gebracht werden können, schwerwiegende Eingriffe in die Wirtschaft vorzunehmen oder gutzuheißen, von denen sie zum größten Teil keine Ahnung haben.
Unabhängig davon, ob die „Rettung“ von Banken notwendig war oder nicht – hier wurde auf Wegen (zB EFSF) politisch gehandelt, die ich persönlich als nicht demokratisch legitimiert ansehe.

Zusammenfassend: Die heutige Parteiendemokratie krankt an dem Einfluss von Interessen und Interessensvertretungen: Sowohl Entscheidungen im Interesse Einzelner, als auch mangelnde Legitimation und damit einhergehend Vertrauensverlust in der Bevölkerung sind die Folge.
Es ist zwar zweifellos notwendig, zu möglichst vielen Themen politisch Stellung zu beziehen, aber nachdem ich die bereits bestehenden Ideen, insbesondere die Wichtigkeit von Transparenz und basisdemokratischen Entscheidungen durchdacht habe, ist mir deren Tragweite klar geworden.

Ich glaube, dass es hauptsächlich die Idee der Basisdemokratie und der diese unterstützenden Liquid Democracy ist, die die Zusammenkunft von uns allen erst ermöglicht hat. Wir sind oft in tagespolitischen Fragen weit auseinander und auch ideologisch eher heterogen – wir sind als Gesamtheit weder links noch rechts, jeder Einzelne aber hat sehr wohl seine ganz eigenen Vorstellungen, welche Inhalte politisch wie umzusetzen sind. Die Idee von Basisdemokratie ist also nicht bloß ein Mittel der Entscheidungsfindung – sie ist auch besonders geeignet, Menschen für die Piratenpartei zu begeistern.

Wir haben als Piraten nur eine Chance, wenn wir uns unserer Unzufriedenheit mit dem politischen System bewusst sind und nicht nur unsere Meinungsverschiedenheiten vor Augen haben.
Es ist nicht weniger, aber oft auch nicht mehr als die Vision von einer funktionierenden Demokratie, die uns verbindet – nur Basisdemokratie macht es für den Einzelnen erträglich, Standpunkte zu vertreten, die nicht seine ganz persönlichen sind.

Die Piratenpartei Österreichs versteht sich als Themenpartei, die sich nicht in die Schemen "links-rechts" einordnen lassen will. Wenn jedoch ein Sprecher allein durch das Vertrauen das er genießt, seine Privatmeinung öffentlich kundtun darf, zieht das erstens nur neue Menschen an, die mit ihm übereinstimmen, andererseits schreckt es jene ab, die in dieser Frage nicht seiner Meinung sind. Mit anderen Worten: Ein (persönlich) linker Vorsitzender wird nur linke Menschen anziehen - nach kurzer Zeit wäre die Parteibasis homogen.
Nur der Verweis auf eine basisdemokratische Entscheidung kann die generelle Offenheit der Piraten absichern und auch glaubhaft machen.

Unsere oft zur Schau getragenen Unterschiede werden uns nicht spalten, wenn wir uns auf das große Ganze konzentrieren, das uns verbindet. Ich glaube, es ist der Respekt für die Meinung anderer und die Anerkennung von Mehrheitsentscheidungen, die uns langfristig verbinden können.

Ich glaube, dass die bloße Verankerung des Wortes „Basisdemokratie“ bzw „Liquid Democracy“ in Satzung und Geschäftsordnungen die tatsächliche Umsetzung nur unzureichend gewährleistet. Daher schlage ich eine konkrete Ausformulierung vor:
 

Ich beantrage folgende Bestimmung in die Satzung aufzunehmen:
 

Satzungsbestimmung:

§ 21 - Transparente Basisdemokratie

(1) Außenvertretungsbefugte Organe, zur Repräsentation Berechtigte und Abgeordnete zu allgemeinen Vertretungskörpern der Piratenpartei Österreichs sollen Positionen, die von der Bundesgeneralversammlung oder gemäß der LDO beschlossen wurden, nach außen hin vertreten bzw. ihre Stimmabgabe danach richten. Bei Themen, die noch nicht abgestimmt wurden, ist jedenfalls eine Mitgliederentscheidung herbeizuführen, sofern dies unter Berücksichtigung von zeitlichen Zwängen möglich ist. Ist dies nicht möglich, müssen Parteimitglieder ihre Meinung stets als Privatmeinung kennzeichnen, Abgeordnete dürfen in diesem Fall frei nach ihrem Gewissen abstimmen, sollen ihre Entscheidungen und Aussagen aber möglichst aus den piratischen Grundwerten ableiten.

(2) Jedes Mitglied kann durch einen „Antrag auf Veröffentlichung“ eine Abstimmung in die Wege leiten, die ausschließlich die Frage beinhaltet, ob

a) eine in Absatz 1 genannte Person zumindest grob fahrlässig eigene Meinungen als Parteimeinung ausgegeben hat oder

b) ein Abgeordneter zumindest leicht fahrlässig entgegen dem bereits beschlossenen Programm der Piratenpartei Österreichs gestimmt hat oder seine Pflicht, über die betreffende Frage (wenn möglich) abstimmen zu lassen, vernachlässigt hat.

(3) Im momentan gemäß der LDO genutzten Abstimmungswerkzeug ist sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene je ein Bereich „Anträge auf Veröffentlichung gemäß §... (2) der Bundessatzung“ einzurichten. Das nötige Regelwerk ist dem für „direkte“ Programmanträge nachzubilden. Auf Mitgliederversammlungen hat eine Abstimmung über derartige Anträge jedenfalls vor Personenwahlen zu erfolgen. Dieser „Antrag auf Veröffentlichung“ ist als solcher zu bezeichnen und zu begründen. Die Möglichkeit der Rechtfertigung an einem Ort mit gleicher Publizität muss bestehen.

(4) Die Quoren für die Annahme einer Antrages nach (2) sind die gleichen wie bei einem Programmbeschluss. Bei Annahme eines Antrages gemäß (2) ist dieser zu publizieren. Die Publikation ist an geeigneter Stelle auf der Internetseite www.piratenpartei.at durch die Bundes- oder Landesgeschäftsführung vorzunehmen. Die alleinige Publikation auf Seiten einzelner Landesorganisationen ist unzureichend.

(5) Gegen diese Veröffentlichung oder deren konkrete Formulierung kann das Schiedsgericht angerufen werden, welches ab seiner Konstitution binnen 2 Wochen zu entscheiden hat, ob der Antrag unverändert zu veröffentlichen ist, die Abstimmung mit geänderter Formulierung wiederholt werden muss oder von der Veröffentlichung ausnahmsweise abzusehen ist. In den letzten beiden Fällen ist die Entscheidung des Schiedsgerichts ausführlich schriftlich zu begründen. Die Anrufung des Schiedsgerichts hat binnen dieser Frist – längstens jedoch bis zu 28 Tage ab Annahme des Antrages auf Veröffentlichung – aufschiebende Wirkung.
 

Genauere Begründung:

1. Warum in die Satzung?:
Weil diese Bestimmung grundlegend ist und besonders wichtig, sodass es wünschenswert wäre, wenn es eines erhöhten Quorums für deren Abänderung bedürfte.
Es ist keine programmatische Entscheidung, sondern betrifft den vorgelagerten Prozess der Entscheidungsfindung. Sie ist quasi Grundlage für alle Programmanträge.
Sie ist für die Partei von grundlegender Bedeutung, da sie das vage Bekenntnis zur Basisdemokratie stützt. Die Aufnahme diese Bestimmung in die Satzung wäre ein Bekenntnis zur Akzeptanz von basisdemokratisch beschlossenem Programm.
Die Regelungen über den Prozess der Willensbildung müssen rechtlich über den Ergebnissen (=Programm) stehen, die dieser hervorbringt, weil nur die rechtmäßige Entstehung eine Norm legitimieren kann.

2. Führt Basisdemokratie nicht zur „Diktatur der dummen Masse“?
Das kommt auf das verwendete Mittel an.
Tools wie Liquid Feedback, die eine Stimmendelegation ermöglichen führen eher (sofern sie demokratisch ausgestaltet sind und „Delegationsleichen“ verhindern – zB durch Erlöschen der Delegation nach bestimmter Zeit) zu einer demokratisch legitimierten Expertenentscheidung.

3. Warum auch Erfassung von Abgeordneten - warum nicht freies Mandat:
Das ist die falsche Frage. Diese Bestimmung berührt das freie Mandat NICHT.
Das freie Mandat verfolgt dasselbe Ziel, wie die hier beantragte Satzungsänderung. Das freie Mandat soll das weisungsunabhängige Abstimmungsverhalten des Abgeordneten zum Wohle der Allgemeinheit sichern. Da früher Basisdemokratie mangels Internet nicht ausreichend umsetzbar war, sah man im freien Mandat die einzige Möglichkeit, eine Stimmabgabe im Auftrag von einzelnen Außenstehenden zu verhindern. Mittlerweile wissen wir, dass diese Verfassungsbestimmung in der Praxis nie den gewünschten Effekt erzielte. Zwar ist ein rechtlicher Klubzwang nicht möglich, jedoch war dieser durch die faktische Klubdisziplin auch nie nötig. Das Problem bei den „etablierten Parteien“ besteht jedoch darin, dass die Parteilinie von „oben“ oder „außen“ oktroyiert wird.
Tools wie Liquid Feedback, die eine Stimmendelegation ermöglichen, führen (sofern sie demokratisch ausgestaltet sind und „Delegationsleichen“ verhindern – zB durch Erlöschen der Delegation nach einigen Monaten) zu einer demokratisch legitimierten Expertenentscheidung.
Das ist sehr zu begrüßen, weil niemand kann sich überall auskennen. Wenn jeder Abgeordnete aber nach seinem Gewissen abstimmt, führt das entweder zu einer Entscheidung „aus dem Bauch heraus“, oder er holt sich von Außenstehenden Expertise – als Experten bieten sich immer gerne Personen mit wirtschaftlichen Interessen an. Man muss beim freien Mandat also nicht nur dem Mandatar vertrauen, sondern auch seinen Beratern. Die Politiker müssen sich das Vertrauen zwar erst verdienen, jedoch kann man Vertrauen auch durch vorgeschobene Begründungen für seine politische Linie bekommen. Eine dahinterstehende „hidden agenda“ ist kaum zu beweisen (zB die Begründung für ACTA, dass es Gesundheitsschutz vor nachgemachten Medikamenten bietet; oder der Einmarsch im Irak gegen die Massenvernichtungswaffen). Vor allem kann der Berufspolitiker seine Meinung durch Medien ungleich stärker verbreiten als die Masse von Personen, die sich auf dem betreffenden Gebiet tatsächlich auskennt.
Da eine „hidden agenda“ durch das freie Mandat nicht verhindert wird, führt sich diese Idee, die eigentlich eine Entscheidung im Interesse der Allgemeinheit fördern will ad absurdum. Ich gehe davon aus, dass die Konzeption des "freien Mandats" früher als das "geringste Übel" zurecht in die Verfassung aufgenommen wurde.
Wir sehen aber nunmehr seit Jahrzehnten, dass das blinde Vertrauen in Personen (deren Gewissen) nicht zu ausgewogenen Gesetzen führt. Daher sollte man meiner Meinung nach nicht bloß Personen , sondern gleich direkt (oder freiwillig indirekt durch Delegation) die konkrete Sachentscheidung demokratisch legitimieren.

4. Ist das freie Mandat nicht Teil der Verfassung und daher eine solche Regelung verfassungswidrig?
a) Die Bestimmung regelt keine automatischen Rechtsfolgen für den Abgeordneten. Es ist eine „Soll“-Bestimmung, deren Nichtbeachtung lediglich veröffentlicht wird.
b) Das freie Mandat sichert dem Abgeordneten sein Mandat unabhängig davon, was die Partei macht. Auch wenn man als Sanktion den Parteiausschluss vorsehen würde, würde der Mandatar sein Mandat behalten (es entstehen sogenannte „wilde“ Abgeordnete).
Anders ausgedrückt: Egal was sich die Partei ausdenkt, um den Abgeordneten an die Basismeinung zu binden, DIE PARTEI HAT NIE EINFLUSS AUF DAS MANDAT.
Das freie Mandat kann durch eine solche Bestimmung in einer Parteisatzung gar nicht angetastet werden. Die Sanktion der Partei kann nur sein, die betroffene Person bei der nächsten Wahl nicht mehr aufzustellen oder sich öffentlich von ihr zu distanzieren.
Nochmal: Das verfassungsmäßig gewährleistete freie Mandat kann durch Nichts angetastet werden – das ist mit diesem Antrag weder theoretisch möglich noch beabsichtigt.

5. Was, wenn der Abgeordnete die Befolgung eines konkreten Beschlusses nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann?
Es ist anzuerkennen, dass der Abgeordnete nicht nur nach Mehrheitsbeschlüssen handeln kann, sondern seine Handlungen auch mit seinem Gewissen vereinbaren muss.
Man kann die Parteimeinung jedoch nicht nur vertreten, wenn man sie inhaltlich aus voller Überzeugung gutheißt. Man kann sie auch deshalb vertreten, weil man mit der Art des Zustandekommens einverstanden ist.
Ebenso ist es mit Gesetzen, die von der Mehrheit der Parlamentarier beschlossen wurden. Auch wenn man eine Partei gewählt hat, die dann in Opposition ist, kann man sich an die, von der Mehrheit beschlossenen Gesetze allein deshalb halten, weil man akzeptiert, dass sie demokratisch zustande gekommen sind.
Die Überzeugung, dass es grundsätzlich (aber nicht immer) besser ist, die Basis entscheiden zu lassen, sollte bei Vertretern der Partei in den wenigen Fällen, in denen die eigene Meinung davon abweicht, diese ersetzen können.
Das ist grundsätzlich von jedem Piraten zu fordern, denn die Partei ist basisdemokratisch (siehe Satzung).
Es kann jedoch theoretisch vorkommen, dass ein Beschluss dem Gewissen des Vertreters oder Abgeordneten derart widerspricht, dass es ihm gänzlich unmöglich ist diese Meinung zu vertreten / so abzustimmen.
Die Sanktion der Veröffentlichung ist jedoch noch kein Werturteil über den Abgeordneten – sie dient nur der Transparenz. Ob die Piraten dem Betroffenen daraus einen Strick drehen wollen, oder ob seine Entscheidung zwar gegen die Parteilinie verstößt, aber dennoch anzuerkennen ist, wird erst in weiterer Folge bei der nächsten parteiinternen Wahl bestimmt.
Anders ausgedrückt: Der Vertreter/Abgeordnete kann trotz Verstoß gegen die vorgeschlagene Bestimmung weiterhin das Vertrauen der Mitglieder genießen.

6. Warum diese Rechtsfolge, warum nur Veröffentlichung?:
Weil Transparenz die Durchsetzung der Basisdemokratie in höherem Maße sicherstellt, als nur das bloße Bekenntnis dazu in der Satzung.
Was brächten Abstimmungen auf Generalversammlungen oder im Liquid Feedback, wenn deren Ergebnisse ohnehin sanktionslos ignoriert werden könnten?
Es besteht nicht nur ein Interesse des Wahlvolkes, dass tatsächlich das getan wird, was vor der Wahl versprochen wurde – auch die Parteimitglieder, die tatkräftig zum Erfolg der Partei beitragen haben ein Anrecht auf transparente Umsetzung ihrer Beschlüsse.
Die Publikation der Abweichungen von Parteiprogramm (festgestellt per Abstimmung) allein, führt zu keinen Konsequenzen. Wenn die Abweichung jedoch eindeutig und gravierend ist oder sich kleinere Abweichungen häufen, so kann die Publikation das Vertrauensverhältnis zerstören und einen Abwahlantrag/Parteiausschluss unterstützen.
Gleichzeitig stärkt die theoretische Möglichkeit der Publikation das Vertrauen in jene Vertreter der Piratenpartei, die sich keine derartigen Verfehlungen zuschulden kommen lassen.
Ein weiteres Argument: Solche Abstimmungen können auch genutzt werden, um Unklarheiten bei der Auslegung des Parteiprogrammes zu beseitigen – die Interpretationshoheit bleibt bei jenen, die die Beschlüsse gefasst haben. Damit niemand der Basis das Wort im Munde verdrehen kann.

Warum reicht nicht die Möglichkeit der Abwahl? Weil die öffentlich preisgegebene Meinung eines Piraten als Partei-Meinung auch meinungsbildend ist (drohende Erklärungsnot kann zu Anpassung der politischen Linie der Basis führen).
Die Piratenpartei Österreichs versteht sich als Themenpartei, die sich nicht in die Schemen "links-rechts" einordnen lassen will. Wenn jedoch ein Sprecher allein durch das Vertrauen das er genießt, seine Privatmeinung öffentlich kundtun darf, zieht das erstens nur neue Menschen an, die mit ihm übereinstimmen, andererseits schreckt es jene ab, die in dieser Frage nicht seiner Meinung sind. Nur der Verweis auf eine basisdemokratische Entscheidung kann die generelle Offenheit der Piraten glaubhaft machen. Die inhaltliche Vertretung der Partei in der Öffentlichkeit sollte daher nicht von Einzelnen beeinflusst werden können.

Weiteres Argument:
Wenn sich aus dem Verhalten eines einzelnen Politikers Ungereimtheiten ergeben, fällt das oft nur einigen Menschen auf – nicht jeder kann sich (faktisch, vom Zeitaufwand her) über das Stimmverhalten jedes einzelnen Politikers informieren. Wenn das aber so wäre, würde man die Vertrauenswürdigkeit des Politikers viel besser einschätzen können.
Es würde schon reichen auf MÖGLICHE Ungereimtheiten an zentraler Stelle hinweisen zu können.
Warum nicht eine strengere Sanktion: Weil niemand frei von Fehlern ist. Diese Fehler öffentlich zu machen ist eine Sache – ob damit der Betroffene vertrauensunwürdig wird oder aber darüber hinweggesehen werden sollte, muss jedes Parteimitglied selbst entscheiden. Die Veröffentlichung dient nur der Transparenz – ist aber kein Verurteilung des Verstoßes gegen Absatz 1 – es ist eine wertfreie Offenlegung.

7. Schadet eine Veröffentlichung nicht dem Ansehen der Partei:
Das Gegenteil ist der Fall. Es zeigt, dass wir es ernst meinen und nicht nur große Reden schwingen. Es stärkt das Interesse, an online Diskussionen und Abstimmungen mitzuwirken und gibt dem Basispiraten das Gefühl, die Politik der Partei mitgestalten bzw mitverfolgen zu können. Das Versprechen durch Mitwirkung als Pirat theoretisch etwas verändern zu können, ist das wichtigste Argument für eine Mitgliedschaft in unserer Partei.
Wenn Basisdemokratie nicht nur versprochen sondern auch gelebt wird, hat das außerdem einen Präventionseffekt: Es hält auch Personen, die nur ihre persönliche Meinung durchbringen wollen davon ab, die Piratenpartei für ihre Zwecke missbrauchen zu wollen. Wenn man schon die theoretische Möglichkeit, durch die Piraten Einzelinteressen zu verfolgen ausschließt, schreckt man dadurch Menschen mit „hidden agenda“ von vornherein ab. Die „Aushängeschilder“ der Partei, würden dadurch so integer wie möglich.

8. Wie kann man feststellen, was gegen die Parteilinie ist? Ist das nicht eine Interpretationsfrage?
Das stimmt, gerade deshalb wird darüber auch eine Abstimmung gemacht – eine Interpretationsfrage kann nur von Mitgliedern entschieden werden, die den Beschluss gefasst haben. Der Betroffene hat die Möglichkeit seine Interpretation darzulegen. Wenn bei der Abstimmung eine Mehrheit der Meinung ist, dass seine Interpretation nicht zutrifft und seine Linie von der Parteilinie abweicht, dann stellt sie das fest.
Damit können solche Abstimmungen auch genutzt werden, um Unklarheiten bei der Auslegung des Parteiprogrammes zu beseitigen – die Interpretationshoheit bleibt bei jenen, die die Beschlüsse gefasst haben. Damit niemand der Basis das Wort im Munde verdrehen kann.
Die Abstimmung dient also sowohl der Transparenz, als auch der authentischen Interpretation durch die Mitglieder.
Sie ist aber keine Schuldzuweisung. Diese kann (an anderer Stelle) folgen, muss aber nicht.
 

Nachwort
Unabhängig davon, wie schwer das Ziel einer ausgewogenen Basisdemokratie zu erreichen ist und wie sehr wir uns durch momentan noch nicht perfekte technische Mittel oder mangelnde Wissen um deren Anwendung aufhalten, es ist dennoch der praktikabelste Schlüssel zu positiver politischer Veränderung und wert, es umzusetzen.
Ich glaube, nur Basisdemokratie kann uns dauerhaft verbinden - nur Basisdemokratie kann unsere Parteiendemokratie wieder funktionsfähig machen.
Daher rufe ich euch auf: Unterstützt meinen Antrag - macht uns Piraten klar zum Ändern!
 

Verweise:
Pilar Velasco - „No nos representan“ (Verlag Temas de hoy)
http:de.wikipedia.org/wiki/Liquid_Democracy, mwN
http:de.wikipedia.org/wiki/Deliberative_Demokratie, mwN
 

Diskussion
Diskussion bitte nicht als Anregungen, sondern im Forum: https://forum.piratenpartei-wien.at/viewtopic.php?f=2&t=3152