Graz beherbergt derzeit 1.494 Asylwerber. Das sind 26,34 % der 5.671 Asylwerber, die sich momentan in der Steiermark befinden. In den Monaten Juli und August 2015 muss die Steiermark – so vertraulichen Quellen zufolge – mit jeweils 700 neuen Flüchtlingen rechnen. Das lässt für die Steiermark befürchten, dass dies wohl auch nur mit kurzfristig errichteten „Zeltstädten“ zu bewerkstelligen sein wird. Das Innenministerium hat die Zahl der für 2015 zu erwartenden Anträge auf ca. 70.000 nach oben revidiert. Gegenwärtig werden in Graz rund 40 Asylantenheime betrieben, die circa zwei Drittel aller in Graz lebenden Asylwerber beherbergen – ein Drittel wohnt in Privatquartieren.
 
Frau Bundesministerin Mikl-Leitner kündigte an, vor dem EU-Innenministertreffen in Luxemburg Druck auf eine zweite Asylquote machen zu wollen, und zwar eine innerhalb Europas. Von Solidarität in der Asylfrage ist in Europa derzeit keine Spur zu erkennen. Hätten wir eine europaweite Asylquote, so läge der Wert für Österreich bei über 270 %. Im Vergleich dazu fallen andere EU-Mitgliedstaaten deutlich unter eine Zehn-Prozent-Grenze wie etwa Tschechien mit neun und die Slowakei mit gar nur fünf Prozent. 
 
Die Steiermark erfüllte die innerösterreichische Quote bis zum Ende der letzten Woche zu 102,3%, während insbesondere die westlichen Bundesländer weit hinterherhinken. Es zeigt sich also auf europäischer und auch auf innerstaatlicher Ebene das gleiche Phänomen. Jene Staaten, jene Bundesländer und jene urbanen Großräume, die sich in der Aufnahme von Asylwerbern vorbildlich verhalten, werden zunehmend mit weiteren Asylwerbern konfrontiert, während sich andere Staaten und auch innerstaatliche Gebietskörperschaften vornehm zurückhalten. 
 
Es ist unsere Aufgabe als Kommunalpolitiker auf das Ende der Kapazitäten – in diesem Fall der Stadt Graz – hinzuweisen und auch andere in Pflicht zu nehmen. Hier geht es natürlich auch um das Funktionieren unserer Gesellschaft und um die Sicherheit unserer Bevölkerung in allen Lebensfragen. 
 
Europa, insbesondere Deutschland und Österreich, bedeutet für viele legale und illegale Einwanderer eine Insel der Seligen, die Reichtum und Wohlstand verspricht. Gerade funktionierende Sozialsysteme üben verständlicherweise eine geradezu magische Anziehungskraft aus. 
Neben den lokalen und regionalen Auseinandersetzungen mit diesem Thema ist ein gesamteuropäischer Diskurs über die Themen Asylwesen, Personenverkehrsfreiheit und Schengen unabdingbar. Auch Europa wird nicht umhin können, die eigenen Kapazitäten klar zu definieren und darauf basierend entsprechende Regelungen zu treffen, die die Mitgliedstaaten in gleichem Maße und vor allem gerecht in die Pflicht nehmen. Hierbei muss allerdings der Realismus über die Vision siegen, denn eines muss auch klar sein: Die Mitgliedstaaten dürfen nicht überfordert werden – wer sich selbst nicht mehr helfen kann, der kann nämlich niemandem helfen.
 
Dänemark nutzt zunehmend Ausnahmeregelungen, um seine Grenzen zu kontrollieren. Menschen ohne Papiere werden abgewiesen, und auch Großbritannien denkt offen über eine Sicherung seiner Grenzen nach. Das lässt uns erkennen, dass viele Länder bereits den sprichwörtlichen Retourgang eingelegt haben. Sollte Europa bzw. sollten die Mitgliedstaaten zu keiner tragfähigen Lösung kommen, wird dies zwangsläufig dazu führen, dass in jenen Ländern, die gegenwärtig von der Asylfrage am stärksten betroffen sind, die Sozialsysteme nach und nach kollabieren werden. Welche destabilisierende Wirkung dies für Europa haben könnte, haben zahlreiche Sozialökonomen in österreichischen Tageszeitungen bereits ausführlich diskutiert. 
 
Das Jahr 2015 zeigt wie nie zuvor, dass das System „Europäische Union“ in vielen Bereichen nicht tauglich ist und teilweise versagt. Wir stehen heute vor der Situation, dass EU-Mitgliedstaaten wie Griechenland, Bulgarien, Ungarn aber auch Italien aus unterschiedlichen Gründen ihrer Verpflichtung, die europäischen Außengrenzen zu schützen, nachzukommen nicht im Stande sind oder nicht gewillt sind. 
 
Aber auch auf Ebene des Bundes gibt es – wie zuvor erwähnt – einiges zu kritisieren. Ein starres System, gespeist durch entscheidungsrelevante Fachbeamte, die seit Jahrzehnten an gleicher Stelle arbeitend wenig zur Lösung beitragen, eine ungleiche Gewichtung der Bundesländer und nicht zuletzt ein starker Gemeindebund und ein dem gegenüberstehender entsprechend ineffizienter Städtebund sorgen dafür, dass auch auf nationaler Ebene in der Asylfrage keine Verteilungsgerechtigkeit herrscht. Asylwerber, die aus Kriegs- und Krisengebieten fliehen, und deren Aufenthaltstitel in Österreich zu Recht besteht, können nicht alle im urbanen Groß- und Ballungsraum leben. Auch hier muss auf eine ausgewogene Verteilung Wert gelegt werden, wenn man ein Kollabieren städtischer Versorgungs- und Infrastruktureinrichtungen verhindern möchte. 
 
Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Asylfrage impliziert eine zweiseitige Verantwortung. Die Verantwortung für jene Menschen, die hier Aufenthalt nehmen, und die Verantwortung für die aufnehmende Gesellschaft müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Das System der Solidarität, das sich innerhalb unserer Gesellschaft im Sozialsystem und im Generationenvertrag widerspiegelt, kann neben dem Prinzip der Diversität, also einem offenen Gesellschaftssystem multiethnischer Prägung mit starkem Zuzug, nur bedingt existieren. Schnell können auf diesem Nährboden das Empfinden von Ungerechtigkeit hinsichtlich wachsender finanzieller Belastungen und in weiterer Folge auch Vorurteile wachsen.
 
Im Sinne des zuvor Genannten ergeht daher namens des Freiheitlichen Gemeinderatsklubs nachstehender
 
 
Dringlicher Antrag
gem. § 18 der GO f. d. Gemeinderat
der Landeshauptstadt Graz
 
 
Der Gemeinderat wolle beschließen:
 
Herr Bürgermeister Nagl wird höflich ersucht, zeitnah – jedenfalls aber noch während der Sommerpause des Gemeinderates – mit der zuständigen Bundesministerin für Inneres, Frau Mag. Johanna Mikl-Leitner, in Kontakt zu treten, und hierbei aus Sicht der Stadt Graz nachfolgende Punkte zu monieren:
 
1.     Der Gemeinderat der Stadt Graz ersucht die Frau Bundesministerin dringend, auf europäischer Ebene für eine gesamteuropäische Regelung der Asylfrage einzutreten. Dies impliziert jedenfalls eine gemeinsame und wirkungsvolle Sicherung der EU-Außengrenzen sowie die Schaffung entsprechender Aufnahmekapazitäten für Asylwerber bereits außerhalb dieser Grenzen, um vor allem dem Schlepperwesen Einhalt zu gebieten. In diesem Zusammenhang soll bereits vor Eintritt in den EU-Raum nach einer gerechten Quotenverteilung geregelt sein, in welchem Mitgliedstaat der Asylwerber seinen Aufenthalt nehmen kann.  
 
2.     Der Gemeinderat der Stadt Graz ersucht die Frau Bundesminister, auf innerösterreichischer Ebene für eine größere Verteilungsgerechtigkeit in der Asylfrage zu sorgen. Dies bedeutet jedenfalls, dass sowohl die Bundesländer als auch die einzelnen Gemeinden gemessen an der Einwohnerzahl gleichwertig in die Pflicht genommen werden. Von einer zwangsweisen Verpflichtung bzw. von einer zwangsweisen Errichtung von Asylantenheimen an einigen wenigen Standorten ist abzusehen. 
 
Herr Bürgermeister Nagl wird ferner ersucht, im Städtebund – soferne überhaupt nötig – entsprechende Überzeugungsarbeit zu leisten, um auf breiterer Ebene in gleicher Sache an die Frau Bundesministerin für Inneres herantreten zu können.
 
Der Gemeinderat der Stadt Graz erkennt abschließend, dass gerade das Versagen auf EU- und auf Bundesebene die urbanen Groß- und Ballungsräume vor nicht mehr zu lösende Aufgaben stellt. Die EU-Mitgliedstaaten, die österreichischen Bundesländer untereinander – vor allem aber die Städte und Gemeinden – müssen gleichermaßen Verantwortung tragen.